Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.05.2019
– VI ZR 299/17 –
BGH: Schmerzensgeldanspruch wegen Schockschadens auch nach Tod eines nahen Angehörigen durch ärztlichen Behandlungsfehler
Kein Erfordernis eines Unfallereignisses
Ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen eines Schockschadens nach dem Tod eines nahen Angehörigen, kann auch bestehen, wenn der Tod nicht auf einem Unfall, sondern auf einem ärztlichen Behandlungsfehler beruht. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 2012 kam es während einer Operation zu einer schicksalshaften Komplikation. Dadurch geriet der Patient in einem potentiell lebensbedrohlichen Zustand. Er wurde daher wenige Tage später erneut operiert, wobei es zu einem Behandlungsfehler kam. Aufgrund des ärztlichen Fehlers verstarb der Patient. Die Ehefrau machte daraufhin einen Schmerzensgeldanspruch geltend, da sie aufgrund des Vorfalls eine massive psychische Beeinträchtigung in Form einer Depression erlitt.
Landgericht und Oberlandesgericht weisen Klage ab
Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Köln wiesen die Klage ab. Das Landgericht hielt ein Schmerzensgeld aufgrund eines Schockschadens zwar für grundsätzlich möglich, jedoch verneinte es einen Anspruch, weil das Erleben einer nach ärztlicher Behandlung eingetretenen Gesundheitsverschlechterung eines nahen Angehörigen dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen sei. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Revision ein.
Bundesgerichtshof bejaht Anspruch auf Schmerzensgeld
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Klägerin. Er bestätigte zunächst aber die Entscheidung des Oberlandesgerichts, wonach die Grundsätze zum Schockschaden auch in dem Fall anwendbar sind, in dem das schadensbegründende Ereignis kein Unfallgeschehen im eigentlichen Sinne, sondern eine fehlerhafte ärztliche Behandlung ist. Denn es sei kein Grund erkennbar, die Ersatzfähigkeit eines Schockschadens im Falle eines Unfallereignisses anders zu behandeln als im Fall eines ärztlichen Behandlungsfehlers.
Keine Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos
Der Bundesgerichtshof hielt es aber für unzutreffend, dass sich in der psychischen Gesundheitsverletzung der Klägerin lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht habe. Es sei zu beachten, dass der Behandlungsfehler adäquat kausal für die Lebensgefahr des Patienten war und sich damit für den Patienten in seiner lebensbedrohlichen Erkrankung das dem Behandlungsfehler innewohnende Risiko realisiert habe.